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Werders Stadtgalerie zeigt Willibrord Haas

Der kindliche Sinn im Adulten

von Gerold Paul, 13. Februar 2017


Werder (Havel) - Alles fließt, der Strom des Lichtes, die Welt der Farben und Gedanken, Empfindungen, Strukturen und Erfindungen jedweder Natur. Nichts steht also stille, nichts bleibt, wie es ist – wer wüsste das besser als Demokrit oder Thales dereinst und einer wie der Maler Willibrord Haas des Jahrgangs 1936 heute. Als fünftes Kind eines schwarzwäldischen Haushalts hat er – selten genug – einen Heiligennamen für sein Hiersein abbekommen. Doch ob nun heilig oder nicht, dieser Mann, seit 1961 in Berlin, hat der Mitwelt ein faszinierend-singuläres Oeuvre geschaffen. Eines, das ihn völlig bestimmt und ausfüllt, das die Bilder seiner Seele in Farbe oder Sujet setzt, ohne Rücksicht auf wankelmütigen Publikumsgeschmack.

Um Farbe geht es Willibrord Haas in seiner aktuellen Ausstellung. Acrylbilder, Farbradierungen, Aquarelle, ein paar Ölbilder der akademischen Art sind auch dabei, um das Gewobe der Farbwelt zu unterlaufen. Posierende Männerakte sind dies, sie liegen und wiegen zu schwer im heiter-verspielten Konsens des insularen Bild-Raumes. Dass es im 750. Bestehens der Stadt zu einem kleinen Flyer nicht gereicht hat, nur nebenbei.


Willibrord Haas verbucht mehr als 200 Ausstellungen in seinem Lebens-Curriculum, da war viel Redens von seinem Druckatelier Aquaforte in Berlin, von raffinierten Techniken bei der Produktion großformatiger Aquatinten und Farbradierungen, doch wer lobte schon den Amboss mehr als das Werk! Hier ist die Welt knallbunt, ist voller Farbe, auch was Form zu sein scheint, spielt ihre Klaviatur. Unmöglich, dies angesichts einer solchen Exposition zu leugnen. Realismus? Na klar, ob sich nun der „Cosinus“ biegt, ein Hirsch schmachtet oder etwas „gewaltig diagonal“ daherkommt: Was der Künstler darstellt, ist immer wahr! Nur nicht so, wie man es erwarten würde. Farbflächen werden aneinandergerückt, von Schwertern und Blitzen durchbrochen, in Biegung und Schlingung gebracht. Reine oder wenig gemischte Farben, alle hell und fast allzu freundlich. Überall Fließendes.


Es gibt Serien kleiner Farbradierungen. Titel wie „Mittagshexe“ oder „das grüne Tor marschiert“ zeigen eine ungebändigte Lust am Fabulieren, am Spiel mit Farben wie mit Worten. Manchmal ist bei ihm auch „hinten bunt“, er hat also die Fähigkeit, irgendwie hinter die Dinge zu schauen. Das naive Gemüt wird hier seine helle Freude haben. Sagte nicht auch Picasso, er hätte ein Leben lang gebraucht, um wie ein Kind zu malen?

Haases Bilder wirken wie solche, und wie jenen fehlt es ihnen an einer Tiefendimension. Sie wirken auffallend flächig, manchmal scheinen die Farben wie willkürlich zusammengestellt zu sein. Aber das liegt nur daran, dass die Augen solches Sehen nicht gewöhnt sind. Willibrords Arbeiten müssen nicht allen gefallen, das werden sie vermutlich auch nicht. Wohl aber öffnen sie den kindlichen Sinn im Adulten – „oben Himmel rot - unten Pflanzen grün“ – so es einer nur will. Wie akademisch dagegen die Akte in Öl. Welch ein Kontrast! Eine fabelhafte Ausstellung: Sie erfüllt keinerlei Publikumserwartung, sie ist einfach da, und sie setzt, was dem Künstler wichtig ist. Gerold Paul

Geöffnet bis 2. April, Donnerstag, Samstag und Sonntag von 13 bis 18 Uhr